Liegnitz (Legnica)
Als Sitz des Herzogs war Liegnitz staatliche und kirchliche Verwaltungszentrale für das Herzogtum, zugleich zentraler Schulort. Das städtische Gymnasium, 1309 gegründet, ist das älteste in Schlesien. Jesuitenkollegium und Ritterakademie, 1708 für den Adel eingerichtet, seit 1811 Gymnasium auch für Bürgerliche, galten als anerkannte Bildungsstätten. Zu nennen sind aber auch die Höhere Landwirtschaftsschule (ab 1873), die Taubstummenanstalt (ab 1831), das Lehrerseminar (1882-1925), das Lehrerinnenseminar (1891-1912) sowie zahlreiche Einrichtungen der Inneren Mission. 1816-1945 war Liegnitz Sitz des Regierungspräsidenten für Niederschlesien. Dazu kamen u. a. Oberpostdirektion, Finanzamt, Hauptzollamt, Gerichte, Landesstraßenbauamt, Handwerkskammer; seit 1874 auch der Stadtkreis. 1945-1975 gehörte der Stadtkreis zur Wojewodschaft Breslau, seit 1975 zur Wojewodschaft Liegnitz.
An der Hohen Straße von Glogau nach Böhmen gelegen, konnte Liegnitz schon im Mittelalter für Wirtschaft, Erzabbau und Handel, von Polen bis Flandern, von seiner verkehrsgünstigen Lage profitieren. Diesen Standortvorteil sicherte der Stadt ab 1844 der Ausbau der Eisenbahnstrecken Breslau-Dresden, Oberschlesien-Breslau-Berlin. Dazu kam 1936 die Reichsautobahn Liegnitz-Breslau. Nach einer längeren Periode des wirtschaftlichen Niederganges seit dem 16. Jahrhundert kam es im 19. und 20. Jahrhundert zu einer neuen Blüte: Gemüsebau und Rohkonservenherstellung (Gurken, Sauerkraut, Zwiebeln); Pianoforte-fabrikation Eduard Seiler (ab 1849); Maschinenfabrikation u.a. Teichert und Sohn (1845); Ceres AG (1875); Sägewerks- und Holzverarbeitungsmaschinen; Wollwarenfabrik Mercur mit 1926 1.000 Beschäftigten; Spielwarenherstellung; Ppierindustrie; Druckereien und Verlage; Ziegeleien; Lackfabrikation; Braugewerbe; Honigkuchenherstellung ("Liegnitzer Bombe" seit 1853); zahlreiche Banken und Kreditinstitute. Nach 1945 erfolgte der Wiederaufbau der alten Industriezweige, ab 1959 der Ausbau der Kupferbergbaureviers, ab 1964 der Kupferindustrie "Legmet". Liegnitz war ab 1742 Garnison. 1875, 1890, 1906 fanden hier die Kaisermanöver statt. Nach 1945 war Liegnitz die stärkste Garnison der sowjetischen Streitkräfte in Schlesien. Daneben gab es zahlreiche verschiedenartige Vereine: 1928 u. a. über 40 Gewerkschaften, 44 Turn- und Sport-, 38 Offiziers- und Krieger-, 17 Wohlfahrtsvereine. Die Zahl der Einwohner lag 1618 bei 8.000; 1740 bei 4.885; 1809 bei 9.470; 1900 bei 54.882; 1939 bei 83.681; 1946 bei 24.357; 1960 bei 64.200; 1985 bei 93.000.
Herzog Friedrich II. stellte sich ab 1522 auf die Seite der Reformation und wandelte sein Herzogtum in eine evangelische Landeskirche mit einem Superintendenten und einem Konsistorium an der Spitze um. Nach dem Aussterben der Liegnitzer Piasten fielen die Stadt und das Herzogtum 1675 an den Kaiser in Wien. Die damit auch hier einsetzende Gegenreformation konnte nach der Altranstädter Konvention (1707) größtenteils wieder rückgängig gemacht werden. 1927 gab es in Liegnitz rund 54.00 evangelische, 15.000 katholische und 800 jüdische Einwohner. Historisch bedeutende Persönlichkeiten aus Liegnitz und Umgebung sind Nikolaus Wurm (nach 1401 - um 1380), Verfasser des "Liegnitzer Stadtrechtsbuches"; Kaspar von Schwenckfeld (1489-1561), Begründer einer Nebenlinie der Reformation; Valentin Trotzendorf 1490-1556), eigentlich Friedland, Schulreformer; Ritter Hans von Schweinichen (1552-1616), Verfasser des "Memorialbuches"; Martin Opitz (1597-1639), Dichter, Sprachreformer; Friedrich Freiherr von Logau (1604-1655), Dichter; Georg Thebesius (1636-1688) Geschichtsschreiber ("Liegnitzer Jahrbücher"); Johann Sinapius (1657-1725), Rektor der Stadtschule, Verfasser der "Olsnographia" und der "Kuriositäten des schlesischen Adels"; Heinrich Wilhelm Dove (1803-1879), Physiker und Meteorologe, Gründer des Meteorologischen Instituts in Berlin; Paul Löbe (1875-1967), SPD-Politiker; Martin Schian (1896-1944), ev. Theologe. Christian-Erdmann Schott
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