Das selbständige Schlesien - Die Zeit der deutschen Siedlung 1202-1327/39"Das Jahr 1202 brachte mit dem Erlöschen der Senioratsverfassung das vorläufige Ende des polnischen Herrschaftsverbandes mit sich, dem sich innenpolitisch zu viele Kräfte in den Weg gestellt hatten. Damit ist das Abbrechen jener Art von Staatlichkeit bezeichnet, auf die sich heute die europäischen Nationen mit langer Geschichte für das Hochmittelalter zu berufen pflegen." "Was weiterhin hätte zusammenhalten können - ein gemeinschaftliches Handeln der piastischen Teilherrscher aufgrund ihrer nahen Verwandtschaft, der hierarchische Verband der Kirchenprovinz Gnesen, Adelsgruppen mit übergreifenden Interessen-, kann weder nach Qualität noch nach Quantität als Äquivalent von Staatlichkeit gelten".
"Damals war Schlesien, zumal Niederschlesien, gleichsam das Musterland der deutschen Ostsiedung oder gar der europäischen Siedlung als besonders charakteristische Landschaft "moderner" Entfaltung (...). In Böhmen, mit dem man Schlesien am besten vergleichen kann, traf der ungefähr gleichzeitige, ebenfalls von der Dynastie angestoßene Siedlungs- und Entwicklungsprozeß auf eine schon recht ansehnlich ausgestaltete slawische Welt. Daher hat er sich - jedenfalls in der Mitte des Landes - eher zwischen schon bestehende Lebenswelten gelagert (...). In großen Teilen Ordenspreußens mit seinen besonderen Bedingungen und in Niederschlesien hingegen war das ganze Land am Ende des "langen 13. Jahrhunderts" völlig anders beschaffen als um 1200. Aus einer naturbestimmten war eine kulturbestimmte Region geworden".
"Es genüge hier die allgemeine Feststellung, daß der Übergang praktisch ganz Niederschlesiens zur deutschen Verkehrssprache durch Angleichung der zur Minderheit gewordenen slawischen Bevölkerung normalerweise schon im Mittelalter stattgefunden hat. So sind Slawen zu Vorfahren von Deutschen geworden, wie vielfach auch anderswo. Die Existenz des schlesischen Neustamms deutscher Sprache entsprechend den Neustämmen der Mecklenburger, Pommern, Brandenburger oder anderer ist im späteren Mittelalter eine offenkundige Tatsache. Sprachgeschichtlich interessanter als das deutsch-slawische Gegenüber ist daher von nun an die Frage nach der Rolle der schlesischen Mundart in den großen Prozessen der deutschen Sprachgeschichte." "In Oberschlesien gab es verschieden gerichtete Entwicklungen auf kleinem Raum, darunter als bemerkenswerte diese, daß sich die slawische Mundart nicht nur gut behauptete, sondern im 15.Jahrhundert auch Deutschsprechende wie sonst nur in Polen in großer Zahl zu sich hinüberzog."
"Den Ton im Leben der Stadt gaben die Deutschen an und die deutsche Sprache begann in Breslau zu dominieren. Die Stadtbücher, früher in lateinischer Sprache geschrieben, wurden immer häufiger ausschließlich in deutsch verfasst, und in den Kirchen wurden in dieser Sprache Predigten gehalten. Über die Hälfte des Domkapitels bestand in der Mitte des 14. Jahrhunderts aus Deutschen, obwohl die niedere Geistlichkeit in der überwiegenden Mehrzahl polnisch war und Schlesien zur Kirchenprovinz Gnesen gehörte. Den ersten Platz nahmen die Patrizierfamilien ein, deren Vorfahren aus deutschen Städten, hauptsächlich aus Nürnberg, nach Breslau gekommen waren. Das polnische Element dominierte in den niederen Ständen, im Kleinhandel und im Handwerk".
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